Selbsthilfegruppe

von Loui’s (Yalou) Zweibeinermam Samantha

"Welche Katze passt am besten zu Euch?" Dies war die Frage, die wir, mein Mann und ich, vor ca. einem Jahr unseren beiden Katzen-Senioren stellten. "Keine. Lasst uns unsere Ruhe" die eindeutige Antwort.

Um unseren (eigentlich meinen) Herzenswunsch dennoch zu erfüllen und gleichzeitig den lieben alteingesessenen Vierbeinern gerecht zu werden, informierten wir uns zunächst in Katzenbüchern und fanden folgende Zitate:

"Birmas sind berühmt für ihre Ruhe und Friedfertigkeit. Sie sind sanfte Katzen von großer Würde und Schönheit... Obwohl sie keine großen Jäger (!) sind und oft auch gar nicht nach draußen wollen (!), brauchen sie viel Platz" ("Katzen, Rassen, Pflege, Geschichte")


"Eigenschaften der Heiligen Birma: Häuslich, ruhig, intelligent, pflegebedürftig" ("Katzenrassen")

"Der Charakter wird von ihren Fans oft als besonders sanftmütig bezeichnet... Mit anderen Rassen sind sie gut zusammen zu halten... Die Nähe ihrer Menschen (wird) ohne Aufdringlichkeit (ge)sucht" ("Katzenrassen kaufen mit Verstand")

Gesagt, getan. Schon saßen wir bei einer Züchterin, umgeben von ca. 14 für uns schwer auseinander zu haltenden Katzen und begutachteten einen neun Monate alten Kater mit dem Namen Yalou. Dieser wuchs in einem Drei-Generationen-Katzenhaushalt auf, kannte also ältere Katzen und zeigte ein sehr gutes Sozialverhalten. Yalou sollte es sein.

Früh übt sich

Yalou im Grand Jardin

Wenigstens, und das war schon mal das Wichtigste, traf die beschriebene Eigenschaft der sozialen Verträglich in jeder Hinsicht zu. Die beiden Senioren (Tigerkatzen aus dem Tierheim) waren zwar zunächst "not amused", fühlten sich aber nur wenig gestört und akzeptierten ihn, wenn auch die Wünsche nach gegenseitiger Nähe unterschiedlich waren.

Seit ca. 2 Jahren wohnen wir in einem Haus mit Garten in einer ruhigen Gegend. Da die beiden älteren Vierbeiner gerne rausgingen, ohne allerdings den Garten zu verlassen, stellte sich dann die Frage des Freigangs für Louie, wie Yalou mittlerweile hieß. Nomen est omen – Louie war inzwischen super frech und weder ruhig, sanftmütig oder häuslich. "Was die anderen beiden dürfen, will ich auch!" – so sein Tenor.

Wir dachten nichts Böses und überlegten uns eine Sicherung für den zwar kleinen, aber üppigen Garten. Nachdem Louie bereits mehrfach vom Kratzbaum abgestürzt war und auf X-Beinen nicht überaus elegant lief, entschieden wir uns für ein Katzennetz (bislang ausreichend und sicher).

Die ersten Tage bewegte sich Louie noch vorsichtig, wurde dann immer wilder und ließ sich im Garten schon gar nicht mehr anfassen, nachdem er gemerkt hatte, wir holen ihn dann rein. Ein neues Spiel war entstanden: Zweibeiner veräppeln (Zweibeiner dicht rankommen lassen und dann wegrasen). So rannte er querbeet durch die Pflanzen, lag am liebsten unter dem Kirschlorbeerbaum auf der Erde oder im Busch - und das bei jedem Wetter! Von weißen Pfoten keine Spur mehr, dafür mittlerweile graue Fellhaare zwischen den Pfotenballen (werden inzwischen geschnitten). Die Katzenklappe wurde sofort durchschaut und genutzt.

 

Im Gatren

Hatten wir tatsächliche eine "Heilige Birma"?

Die Frage stellte sich erst recht nach weiteren Tagen. Gemütlich beim Frühstück sitzend, die Terrassentür aufstehend, hörte ich es plötzlich quietschen: Louie brachte voller Stolz und erhobenen Hauptes seine erste Maus! Das hieß nun sofort aufspringen, um die noch lebende Maus zu retten, was nicht so einfach war. Und eine lebende Maus z.B. im Eckrondell der Küche ist auch nicht so angenehm...

Hielten wir es noch für einen Zufall, dass die "sanftmütige, häusliche und ruhige" Birma eine Maus fangen kann, so wurden wir eines Besseren belehrt: Mindestens einmal pro Woche beehrt uns Louie mit seiner Beute, lebend, oder mittlerweile auch tot (wir hoffen auf baldigen Auszug der Mäusekolonie oder natürliche Selektion). Nett ist es auch, wenn man von der Arbeit kommt und zur Raubtierfütterung schreiten will: Da hat der soziale Louie bereits vorgesorgt und eine tote Maus der Länge nach neben die Näpfe gelegt... Vielleicht wissen wenigstens die anderen Vierbeiner dies zu schätzen?

Mittlerweile sind wir auch Vögel im Haus gewöhnt: Keine Wellensittiche im Käfig, nein, herein gebrachte Amseln, die wild umherfliegen. Da geht dann die Post ab, denn auch die beiden Senioren bequemen sich in diesem Fall, hinterher zu rennen (beide aber in den 2 Jahren ohne Jagderfolg).

Leider wollte unsere Züchterin den Stammbaum nicht zurücknehmen...

Yalou an seinem ersten Tag

Louie selbst würden wir, oder besser ich, natürlich nie mehr hergeben. Mein Mann vielleicht schon... Vor allem vor einigen Monaten, als wir unsere Ferien ganz zuhause verbrachten und auch mein Mann reichlich Zeit hatte.

Eine weitere Eigenschaft, die Birmas zugeschrieben wird, trifft nämlich zu: Die Eigenschaft, sich an eine Person zu binden. Louie hatte mich auserwählt und ich habe die Ehre, in seiner Prioritätenliste vermutlich bald nach Garten und Futter zu kommen. Dies äußerte sich jedoch so, dass Louie sich von meinem Mann gar nicht mehr streicheln lassen wollte, nicht schnurrte und nur immer zu mir lief.

Mein Mann war zutiefst in seiner Ehre und seinem Herz getroffen.

Dies erzählten wir jedoch nicht meiner lieben Kollegin, die auch eine Katze bei bereits vorhandenen Katzen suchte. Vielmehr schwärmte ich nur davon, wie sozial und anhänglich Louie (bei mir) ist.

Es kam, wie es kommen musste: Das neue Birmchen, ein jüngerer Bruder von Louie, suchte sich dann auch prompt nicht meine Kollegin, sondern ihren Mann als Bezugsperson aus, so dass auch meine Kollegin sehr traurig war.

Nach vielen Gesprächen mit den Betroffenen haben diese dann eine "Selbsthilfegruppe für Birmchen-Verschmähte" gegründet. In der Selbsthilfegruppe wird zunächst gelernt, die Realität nicht zu überinterpretieren ("Ich bin nicht liebenswert") und Erwartungen zu reduzieren. Aus diesem Erkenntnisprozess heraus kann dann neue Hoffnung entstehen, Hoffnung, auch ein Stück vom "Zuneigungskuchen" einer Heiligen-Birma-Katze zu bekommen. Und siehe da: Auch die "Nicht-Auserwählten" können in den Genuss der Zuwendungen kommen, wenn sie warten lernen (und ab und zu etwas bestechen, aber nicht zu viel, das merken Birmchen!). Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass "Auserwählte" eine entsprechende Verantwortung und durchaus Nachteile haben, z.B. Schlafen nur noch mit Katze auf dem Bauch, frühes Wecken durch zunächst zärtliches, dann anhaltendes Maunzen, tyrannisches Auffordern zum Bällchenwerfen etc...

Weitere Mitglieder sind herzlich willkommen.

Die Selbsthilfegruppe hat dann letztlich meine Ehe gerettet..

 

Was haben wir also?

Ein cream-point-Birmchen, welches gerne im Schlamm sitzt, Vögel, Insekten und Mäuse erfolgreich jagt, ansonsten Streicheleinheiten unerbittlich einfordert (von wegen "unaufdringlich"), wie ein Hund hinterher läuft, lebhaft spricht, viel beschäftigt werden muss und gleichzeitig herzzerreißend zärtlich zu den Mitkatzen und mir sein kann.

Was haben wir nicht?

Eine häusliche, ruhige, wenig lebhafte Katze, die allen die gleiche Zuneigung entgegen bringt. Auch ist "würdevoll" sicher nicht der passende Ausdruck, wenn ein nasses, schmutziges Fellknäuel herein gehoppelt kommt und zunächst auf dem Parkett ausrutscht...

Nichts destotrotz: Die Entscheidung Louie zu uns zu holen, war goldrichtig. Er ist eine Bereicherung für uns Zweibeiner (mittlerweile auch für meinen Mann) und sogar den beiden Vierbeinern hat er richtig gut getan (sie würden das nicht zugeben). Man muss ihn einfach lieb haben. Also lassen Sie sich von meinem (nicht ganz ernst gemeinten) Bericht nicht abschrecken. Nur die Bücher sollten vielleicht umgeschrieben werden.

Mehr zum Charakter der Birma - übrigens als ruhig würde ich Birmchen nicht bezeichnen